„Zsamhoitn“ – unter diesem Motto ist die SPD Berchtesgadener Land in den Wahlkampf gezogen und diesen Titel trägt auch Ihr Programm für die Wahlperiode 2020 bis 2026. Dieser Zusammenhalt wird allerdings in der zweiten Woche der neuen Allgemeinverfügung im Landkreis auf eine harte Probe gestellt: die Akzeptanz für verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sinkt und der Ton wird zwischen Befürwortern und Kritikern immer rauer. In einer im Rahmen einer Online-Konferenz vereinbarten Stellungnahme haben sich nun die SPD-Kreisräte zu Wort gemeldet und treten für konsequente Maßnahmen mit Augenmaß ein – und haben insbesondere die Situation der Kinder und Familien im Blick.
„Oberstes Ziel ist jetzt das Unterbrechen der Infektionsketten und das Senken der Neuinfektionen“, erinnert Fraktionssprecher Roman Niederberger. Jede beschlossene Maßnahme müsse daran gemessen werden, ob sie bei der Erreichung dieses Ziels sinnvoll und effizient ist. „Einschränkungen dürfen keinesfalls als 'Strafe' für das Verhalten in einer Region beschlossen werden, sondern müssen immer für sich nachvollziehbar und erklärbar sein“, machte er deutlich.
Sein Stellvertreter Hans Metzenleitner aus Bischofswiesen macht als oberste Priorität der SPD-Kreisräte die möglichst schnelle Rückkehr zu einem regulären Schulbetrieb und die Öffnung der Einrichtungen zur Kinderbetreuung deutlich. „Es gab zwar in den Schulen seit Frühjahr Fortschritte beim digitalen Lernen. Wer aber meint, jetzt geht alles in Ordnung mit Lernen daheim, steht völlig jenseits der Realität“, so der Gemeinde- und Kreisrat. Nicht nur, aber ganz besonders bei schwächeren Schülerinnen und Schülern, bei schwierigen Familienverhältnissen und bei Aufgaben im Bereich der Integration sei der Präsenzunterricht ein unverzichtbarer Baustein. Deswegen halte er den in Irland beschrittenen Weg von starken Einschränkungen bei Veranstaltungen, privaten Kontakten und in Teilen der Wirtschaft bei gleichzeitiger Öffnung von Schulen und Betreuungseinrichtungen für durchaus sinnvoll, so Hans Metzenleitner und erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Kritik des deutschen Kita-Verbandes an den Schließungen.
Verständnis für die Proteste von Eltern im ganzen Landkreis zeigt vor diesem Hintergrund auch die Freilassinger Stadt- und Kreisrätin Susanne Aigner: „Die Geschäfte bleiben offen, aber keiner sagt, wie alleinerziehende Eltern oder Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind, die fehlende Betreuung mit ihrem zum großen Teil schon im Frühjahr aufgebrauchten Urlaub ausgleichen sollen“. Sie erinnerte auch an die Situation von Schülerinnen und Schülern, die Schulen außerhalb des Landkreises besuchen und daran aufgrund der beschlossenen Einschränkungen nicht teilnehmen können. „Wir brauchen im Sinne der Familien, aber auch der heimischen Wirtschaft eine schnelle Rückkehr zu einem normalen Betrieb der Schulen und Einrichtungen für die Kinderbetreuung und -förderung“, macht sie deutlich.
Als „tragisch“ bezeichnet der Kreisrat und 3. Bürgermeister von Teisendorf Georg Quentin die Situation in Hotellerie und Gastronomie. „Die allermeisten Wirte und Vermieter haben riesige Anstrengungen unternommen, um ordentliche Hygienekonzepte umzusetzen und die entsprechenden Auflagen zu erfüllen. Sie alle treffen die Einschränkungen jetzt umso härter. Auch hier gilt es, nach den ersten beiden Wochen die Maßnahmen mit Augenmaß zu überprüfen und zu vernünftigen Lösungen zu kommen“, so Georg Quentin.
Als positives Signal in schwierigen Zeiten sieht der Landratsstellvertreter Helmut Fürle aus Freilassing die Einigung über den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. „Mehr Einkommen vor allem für die Beschäftigten mit niedrigeren Löhnen und gesonderte Zulagen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Pflege und Gesundheit sind definitiv die richtigen Schritte in der aktuellen Situation“, zeigt er sich überzeugt.
Abschließend zeigen sich die SPD-Kreisräte davon überzeugt, dass eine offene Kommunikation und Diskussion über die beschlossenen Maßnahmen der zentrale Baustein für deren Akzeptanz sein wird: „Wir brauchen vor allem in den Parlamenten, aber auch in unserer Region eine offene Debatte, die allerdings mit Respekt auf allen Seiten und ohne die in letzter Zeit vor allem online aufgetauchten haltlosen Gerüchte und Beleidigungen geführt werden muss“.